Duitse evacués in Vught 1944/1945
Kleverland
Dass Menschen durch Kriege in Lebensgefahr geraten und deshalb aus ihrer Heimat flüchten, führen uns heutzutage die Medien täglich vor Augen. Selber erlebt haben das die Menschen im Kleverland, vor allem in den grenznahen Orten zwischen Reichswald und Rhein, vor nunmehr 70 Jahren, als die plötzlich angekommene Front der Westalliierten auf den Höhen im Raum Groesbeek-Wyler erstarrte.
Wer am Luftlandesonntag 17. September geglaubt hatte, dass der Gegner umgehend auch den Niederrhein besetze, dem dämmerte bald, dass der Krieg erst einmal dort weiter toben könne und ein Bleiben in der von der feindlichen Artillerie erreichbaren "roten Zone" kaum möglich sei. Lebensmittel fehlten, Strom und Wasser fielen aus. Alle paar Tage suchten Granaten- oder Bombensplitter ihr Opfer: Zusätzlich graute einem vor dem nahen Winter - draußen war man ungeschützt.
Nach und nach zog eine Familie nach der anderen fort - oft ohne Abschied vom Nachbarn, schließlich plagten jeden genug Sorgen. Mitnehmen ließ sich nur das, was man tragen, auf einen Karren laden oder aufs Fahrrad packen konnte.
Alle aber bewegten die großen Frage: "Wohin sollen wir?" "Wo werden wir das Kriegsende erleben?" Bekannte oder Verwandte, bei denen man Aufnahme finden werde, hatte nicht jeder. Wer im Altkreis unterkam, war allerdings beim Frontübergang im Februar 1945 durchweg noch massiven Schlachten und erbitterten Kämpfen ausgesetzt, vor allem diejenigen, die es in den Raum Keppeln-Uedem verschlug. Die Menschen ohne Zielvorstellung wurden von der Partei in den Raum Magdeburg gebracht. Das traf diejenigen besonders hart, die bislang noch nie aus ihrem engeren Heimatraum herausgekommen waren. Das Schicksal der Evakuierung verschonte nur wenige.
Heute jährt sich zum 70. Mal der 15. Oktober 1944 - damals der letzte Termin für die Zivilbevölkerung in den frontnahen Ortschaften, ihr Dorf zu räumen, weil es zum Kampfgebiet gehöre. Ausgehängte Bekanntmachungen verwiesen auf den Ernst. Wer danach ohne spezielle Erlaubnis dort noch angetroffen werde, müsse damit rechnen, als Plünderer oder Spion "standrechtlich behandelt" zu werden.
Nur wenige Einwohner im Kranenburger Land durften die Front daheim über sich hinwegrollen lassen. Bei der Luftlandung gerieten die Leute im damals noch deutschen Wylerberg schon sofort auf die andere Seite. Sie wurden im Lager Vught bei 's Hertogenbosch interniert. In Kranenburg hatte das deutsche Militär einige Männer mit NL- Staatsangehörigkeit belassen. In Frasselt wurden sieben verbliebene Ortsansässige am 5. Februar, drei Tage vor Beginn der Niederrhein-Offensive, auf den Hof Cleusters an der Römerstraße (heute Thyssen) ausgewiesen. Einsam ausgeharrt hatte Wilhelmine Schoemakers (76) im Schottheider Feld. Sie starb wenige Wochen nach der Heimkehr ihrer Familie. Eine Gruppe Nütteraner musste Anfang Februar das Dorf verlassen. In Mehr, wo für jeden Hof einer bleiben durfte, trieb die Überschwemmung nach Sprengung des Zyfflicher Querdamms etwa vier Dutzend Einwohner aus den Kellern. Um den Rheinübergang geheim und ungestört vorbereiten zu können, internierten die Briten die Bevölkerung im Klever Land bis Ende März in den damals leer stehenden Gebäuden der Landesklinik Bedburg.
Bereits wenige Stunden nach der Luftlandung hatte Dr. Bernhard Degenhardt (1887 bis 1963) Kranenburg zu verlassen. Ihm, der gerade von Krankenbesuchen auch bei Schanzarbeitern zurück war, berichtete Sohn Dieter von den zwei niedergeschossenen jungen Gefangenen. Der 14-Jährige hatte bei der Rückkehr von der Kreuzmesse den Vorfall vor dem Elternhaus zufällig gesehen. Der Arzt begab sich eiligst nach draußen, sah, dass ein Fallschirmspringer noch lebte und wollte diesem helfen. Das wurde ihm von den zwei SA-Männern verboten. Seine kurze Frage, was das alles solle, erhielt die bedrohliche Antwort: "Verhaftet! Sie werden auch erschossen!" Der Doktor konnte noch ins Haus entkommen. Ein Wehrmachtshauptmann bot ihm seinen Schutz an. Auf seinen Rat verließ der Arzt noch am Nachmittag mit Familie und einigen Habseligkeiten im Auto Haus und Wirkungsort - und entkam so über den Rhein.
Bron: RP Online