Duitse evacués in Vught 1944/1945


Odyssee (5)

Eine weitere Zeitzeugin, zum Zeitpunkt des Geschehens noch keine 13 Jahre alt, bestätigte in vielen Punkten diese Tagebuchaufzeichnungen.  Sie erzählte mir vor vielen Jahren, wie sie die Evakuierung und die furchtbaren Bombardements in Malmedy sowie den unmenschlichen Transport bei bitterster Kälte auf offenen Lastwagen nach Brüssel wie auch die anschließende Deportation in Güterwaggons nach Vught in Holland erlebt hat:

Nachdem die Kaserne geräumt wurde und die Mehrzahl der Dorfbewohner uns verlassen hatte, schien es meinem Vater wegen der noch unsicheren Lage unumgänglich, sich auch weiterhin mit seiner Familie im Schutz der Amerikaner aufzuhalten.

Anlässlich eines Urlaubs, der Anfang September 1944 zu Ende ging, war er nicht mehr zu seiner Einheit, der Organisation Todt, die an der Kanalküste Befestigungen baute, nach De Panne in Belgien zurückgekehrt.

Die Zeit und die Ereignisse schienen zunächst auch seinem Verhalten "Rechnung" zu tragen. Bis dann am 16. Dezember die Ardennenoffensive begann.

Die deutschen Truppen drangen bis in die Vororte Malmedys, wurden aber durch den energischen Widerstand der Amerikaner daran gehindert, die Stadt vollständig einzunehmen.In den Führungsstäben der alliierten Streitkräfte herrschte zu diesem Zeitpunkt allerdings die irrige Auffassung, dass die deutschen Truppen Malmedy erobert hätten; und schon schickten sie ihre Flugzeuge und bombardierten die Stadt.

Am 11. Januar 1945 erschien in der amerikanischen Armeezeitung "Stars and Stripes" ein Bericht, in dem offiziell bekanntgegeben wurde, dass die in den Händen der Amerikaner befindliche belgische Stadt Malmedy, am 23., 24. und 25. Dezember irrtümlich von amerikanischen Maschinen mit Bomben belegt worden wäre.

Da wir diese Bombardements an drei Tagen in einem nur notdürftig hergerichteten Keller über uns ergehen lassen mussten und Todesängste ausgestanden haben, werden mir diese traumatischen Ereignisse Zeit meines Lebens unvergessen bleiben.

Nachdem dies alles vorbei war, wurden wir einige Tage später aufgefordert, uns an der Kirche einzufinden. Wir haben diese Aufforderung ignoriert und sind im Keller des Klösterchens geblieben. Wiederum einige Tage später, es war schon nach Silvester, erschienen belgische Gendarmen im Keller und brachten uns zur Kirche. Als wir dort ankamen, erwarteten uns auf dem Kirchplatz viele Dorfbewohner, die ebenfalls der ersten Aufforderung nicht gefolgt waren. Wie viele sich dort schon versammelt hatten, kann ich nicht sagen. Jedenfalls erschienen zwei große Militärlastwagen ohne Verdeck. Sie transportierten uns bei großer Kälte auf direktem Weg nach Brüssel ins Gefängnis, in dem man uns dann einige Tage festgehalten hat. In einem großen Saal lagen Stroh und einige Wolldecken auf der Erde. Zu essen gab es nur ein paar Kisten Äpfel, die man vor uns auf den Boden schüttete.

Alle Männer über sechzehn Jahre wurden sofort nach der Ankunft von uns getrennt. Wie mein Vater uns später erzählte, waren sie die ganze Zeit über im Gefängnis gewesen und nur sehr mangelhaft verpflegt worden. Ich habe meinen Vater erst Anfang April 1945 im Lager Vught wiedergesehen.

Mein jüngster Bruder, zu dieser Zeit noch keine zwei Jahre alt, war auf der Fahrt nach Brüssel krank geworden. Der herbeigerufene Militärarzt diagnostizierte Scharlach und ordnete noch am gleichen Abend seine sofortige Einlieferung in ein Krankenhaus an. Er versicherte meiner Mutter, dass er sofort nach seiner Genesung zu uns gebracht würde. Wir haben ihm nicht geglaubt.