Duitse evacués in Vught 1944/1945


Odyssee (4)

 

Am 12. Januar morgens hieß es: "Alles fertig machen, in einer Stunde geht es fort". Einige Frauen, deren Kinder krank waren, mussten dableiben. Drei Frauen kamen in eine Entbindungsanstalt und haben dort entbunden. Wir anderen wurden auf Lastwagen geladen und wurden zum Bahnhof gefahren. Dort nahm uns ein Sonderzug auf. Wir sind den ganzen Tag durch Belgien gefahren und landeten nachts um 3 Uhr in Holland. In jedem Abteil waren zwei belgische Gendarme. Nachdem wir den Zug verlassen hatten und mit unseren Kindern und dem Gepäck vor dem Bahnhof Vught (foto) bei 's-Hertogenbosch in 20 cm hohem Schnee standen und weinten, sagte einer der Gendarmen: "Seid nur ruhig, diese Zeit geht einmal vorüber und es wird auch wieder besser".

Das Lager, wo wir hinkommen sollten, war ca. eine halbe Stunde vom Bahnhof entfernt. Vor der Station standen zwei Lastwagen, die voll geladen wurden und dann mussten die anderen warten, bis die Wagen wieder zurückkamen. Der Kälte wegen ließ man uns in den Wartesaal ein. Ein alter Mann von 78 Jahren aus unserem Ort wurde auf einen Stuhl gesetzt und starb nach einigen Minuten vor unseren Augen.

Nachdem die Lastwagen auch uns abgeholt hatten, sahen wir im Schein der abgeblendeten Lampen, dass wir durch ein großes Tor einfuhren. Am anderen Morgen mussten wir feststellen, dass wir hinter Stacheldraht gelandet waren.

Es war das Konzentrationslager Vught. Eine große Baracke nahm uns auf, die sehr mangelhaft in Ordnung war. Eisenbetten mit Stroheinlagen standen dort und wir mussten zuerst dafür sorgen, dass die Kinder zur Ruhe kamen. Diese Baracke war die Auffangbaracke für Neuankommende, Tags darauf zogen wir nach 5 b, wo wir bis zu unserer Entlassung geblieben sind.

Anfang März wurde uns gesagt, wir kämen in den ersten Tagen nach Hause. Warum man uns belogen hat, haben wir nie erfahren.

Wir konnten innerhalb des Stacheldrahtes spazieren gehen und das Leben dort wäre erträglich gewesen, wenn nur das Heimweh, die Sorge um Hab und Gut und die Ungewissheit, wo unsere Männer waren, nicht gewesen wäre.

Endlich, am 9. April wurden die Männer sowie die in Brüssel zurückgebliebenen Frauen und Kinder nach Vught in Holland gebracht. Man hatte ihnen in Brüssel gesagt, sie kämen zu ihren Angehörigen und würden dann entlassen.

Aus den paar Tagen wurden noch 7 Wochen. In der Woche vor Pfingsten erhielten wir unsere Ausweispapiere zurück.

Endlich, Pfingstsonntag, am 20. Mai wurde bekannt gemacht, dass es zur Heimat ging. Am 22. Mai wurden wir in Güterwagen geladen und waren am Nachmittag in Aachen-West. Wir blieben dort bis zum nächsten Mittag und wurden mit amerikanischen Lastwagen bis zum Orte gefahren.

Die anderen Evakuierten von Kalterherberg waren schon im März nach Hause gekommen. Wir 230, von denen man im Dorfe nichts wusste, waren schon abgeschrieben.

Im März waren von der Gemeinde an die Zurückgekommenen Saatkartoffeln verteilt worden und für diejenigen, welche noch nicht zu Hause waren, keine.

Also standen wir behördlicherseits auch bereits auf der Verlustliste. Wir hatten damit gerechnet, nach achtmonatiger Abwesenheit nicht mehr viel vorzufinden, waren aber dann doch sehr enttäuscht, nur leere Häuser vorzufinden".